Mein Besuch im Vendôme im Althoff Grandhotel Schloss Bensberg

Ein Besuch im Vendôme, dem besten Restaurant Deutschlands; bei Joachim Wissler, dem Koch der Köche. Das macht man nicht alle Tage. Obwohl es von Düsseldorf nur ein Katzensprung ist. Auch wenn wir uns ziemlich spontan zu diesem Kurz-Trip nach Schloss Bensberg samt Dinner im Vendôme entschieden haben, war meine Vorfreude groß. Ok, ich war sogar ein bisschen aufgeregt – im positiven Sinne…

Das Vendôme wurde neben den drei Michelin-Sternen 2016 erneut mit 19,5 Gault Millau Punkten sowie fünf Feinschmecker „F“ ausgezeichnet. Joachim Wissler ist laut Branchenjury Stand 2015 der beste Vertreter der „Neuen deutschen Schule“. Das macht erstmal Eindruck. Entsprechend hoch ist meine Erwartungshaltung. Die Jungs vom Guide Michelin schreiben: “Vom Auftakt bis zum süßen Abschluss treffen hier in edlem, elegantem Ambiente Produktqualität und Zeitgeist auf fachliche Perfektion! Jeder Gang geschmacklich wie optisch ein wahrer Glanzpunkt: ideenreich, aufwändig, durchdacht. Der Service fachlich versiert und souverän.” Ob ich das auch so sehe?

Wir entschieden uns für das “Status Quo” Menü in 5 Gängen samt Weinbegleitung. Aber bevor ich zum Essen komme: Der Empfang war nett, zuvorkommend, professionell und vielversprechend. Das Ambiente im Vendôme gemütlich, edel & hochwertig. Wir hatten es vom Hotel glücklicherweise nicht weit. Einmal zur Tür raus, um die Ecke und wieder rein. Natürlich waren wir die jüngsten Gäste im Lokal – hab ich auch nicht anders erwartet. Das Team des Vendôme hingegen war ebenfalls überraschend jung, aber nicht unerfahren. Im Gegenteil.

Ich war ausgesprochen beeindruckt von der Perfektion im Service: Wie ein Orchester, das perfekt aufeinander abgestimmt wurde und jeden Ton trifft. Im Vendôme sitzt jeder Handgriff, man ist zuvorkommend ohne zu nerven und vor allen Dingen: Jeder Mitarbeiter kann jede einzelne Frage zu jedem Detail auf Wunsch umfassend beantworten. Vom Alter der Reben des Weins bis hin zur Dauer der Vakuumierung der Bohnen. Mit Witz und Charme festigt man hier den 3-Sterne Anspruch. Ich bin mir sicher, dass die beständige Perfektion im Service einen großen Teil des Unterschieds zwischen einem 1- oder 2- und einem 3-Sterne-Restaurant ausmacht, denn bei der Qualität und Frische der Zutaten sowie deren Zubereitung, Komposition und Präsentation gibt es nunmal Grenzen nach oben. Oder…?

Los ging’s mit einem Aperitif, Riesling Sekt von Schloss Vaux. Es folgte der erste Teil des Auftakts: hausgemachtes ToffiVee mit Gänseleberkaramell und piemonteser Haselnuss. Optisch provokant als einfaches Toffifee verpackt und verdammt lecker. Dieser Schmelz der Gänseleber in Kombination mit der Süße und leichten Salzigkeit des Karamells – ein hammer Start. Der zweite Teil des Auftakts war optisch schonmal ein Kontrast: Bretonische Sardine “Escabeche” mit Gazpacho Verde, Rettich und Avocado. Dazu gutes Olivenöl. Die Säure der eingelegten Sardine harmonierte wunderbar mit der Gazpacho. Das hat Spaß gemacht.

Dann ging es endlich richtig los: Blauer Hummer und gelierte Kamilleninfusion mit Fenchelcrème, Salzgraskräutern und Pfifferlingen. Dazu ein 2015er Alvarinho aus Nord-Portugal. Ich war skeptisch bei der Kombination von Hummer und Kamille, mag ich Hummer doch gerne puristisch, mit ohne alles quasi. Ich hab am Ende aber die gelierte Kamille noch aufgeleckt – eine unglaubliche Geschmacksexplosion, die man auch in dieser Konsistenz sonst noch nie erlebt hat. Süßliche, milde Kamille, salzige Kräuter, bester Hummer und frische Pfifferlinge – das geht sehr gut! Der Alvarinho von Soalheiro mit seinen prägnanten Zitrusaromen und guten Mineralität aus dem eher kühlen Norden Portugals (Minho) passte hervorragend. Ich hab’ mir nochmal nachschenken lassen (wie übrigens bei fast jedem Gang, denn die Weine waren super zusammengestellt – ein Hoch auf den Somm Marco Franzelin).

Endlich Fleisch! Und was für eine Sauerei! Milchferkelschnäutzchen & geschmolzene Gänseleber mit Räucheraal, Shiso-Pflaumen und Gurkentatar. Dazu ein 2014er Riesling “1904” von Kirsten von der Mosel. Wie kann man nur Schnäuzchen essen? Nunja, eigentlich war es Bäckchen hab ich mir sagen lassen. Jedenfalls war es eine unglaubliche Geschmacksexplosion. Diese extrem zarte, fettige Beschaffenheit des Fleisches zusammen mit der ebenso zarten und fettigen Gänseleber war fast zu viel Sünde um wahr zu sein. Getoppt mit einem kleinen Stück knuspriger Haut für mich der Höhepunkt des gesamten Menüs. Ich hätte noch zwei weitere Portionen essen können, aber das wäre politically incorrect und hätte die Kalorienbilanz weit gesprengt. Der Riesling, feinherb ausgebaut, von wurzelechten Reben aus dem Jahre 1904 war die Neuentdeckung des Abends für mich. Direkt eine Ki(r)ste bestellt im Anschluss!

Vom Land zurück ins (Süß)Wasser: Lechtal Seeforelle in Zedernholz gegrillt mit Butterbohnen, Mangalitza Speck und Lauchherzen. Die Forelle wurde zunächst direkt vom Grill kommend am Tisch präsentiert und aus dem Zedernholz befreit. Quasi als Beweis. Ich hätte es auch so geglaubt, aber der Show Effekt war nett. Der fertige Gang kam dann 5 Minuten später zum Tisch und enttäuschte nicht. Die Forelle zart und mit leichten Holz- sowie Raucharomen (irgendwie klar). Der Speck des Mangalitza Schweins geht immer und unterstrich den Geschmack. Etwas gewöhnungsbedürftig für mich die gereichte Sauce. Auf Nachfrage ein Sud aus den Bohnen abgeschmeckt u.a. mit Essig. Ich glaube es war die Säure des Essigs, die ich zunächst nicht zuordnen konnte. Der Wein, ein Grüner Veltiner “Alte Reben” aus dem Südburgenland von Wachter/Wiesler, mit seiner zurückhaltenden Säure passte dazu gut. Die prägnanten Raucharomen rundeten das Geschmackserlebnis ab. Ein Wein, der solo nicht so mein Ding wäre aber zu diesem Gang perfekt passte. Die Forelle war für mich der “schwächste” Gang, wenn man das hier überhaupt so sagen will. Jammern auf höchstem Niveau.

Und vom Wasser in den Wald: Rehbockrücken & Schulter mit Piment Melonensalat, Waldmeisterpesto und Schwarzwurzeln. Dazu ein Roter von der Loire, ein Chinon L’Huisserie von Alliet aus 2010. Eine weitere Geschmacksexplosion. Das süßliche, feine Waldmeisterpesto ging überraschend gut zum Reh samt dem kräftigen Jus. Höhepunkt des Tellers war für mich, neben dem Pesto, das kleine Stück Leber – zart und geschmacksintensiv. Ich hatte leider etwas Pech mit der Schulter. Ich bekam ein kleines, etwas trockenes Stück. Das mussten Filet und Leber ausgleichen. Die frischen saftigen Melonenstücke halfen auch. Ich durfte auch ein Stück saftige Schulter vom Nachbarteller klauen. Ingesamt toll! Der Chinon mit seinem mittleren Körper und der präsenten Säure und Mineralität passte wunderbar und erschlug das Gericht nicht.

Dann wurde es süß. Roter Beerensalat mit Topfensoufflé. Optisch war ich zunächst skeptisch aber geschmacklich landete das Dessert dann für mich direkt hinter dem Schweine-Gang. Eine Explosion im Mund aus saftigen, cremigen, weichen und knusprigen Konsistenzen. Säure und Süße im Geschmack. Ich wollte mich reinlegen (sah ja auch aus wie Waldboden). Ein Highlight: Die Brombeeren waren keine Brombeeren sondern eine Art Essenz der Brombeere, die wieder in die ursprüngliche Form gebracht wurde. Eine Spielerei, die unheimlich aufwendig sein muss. Leider geil! Dazu kam endlich mein langersehnter restsüßer Riesling. Eine Spätlese von Bender namens Hofpäsch aus 2014. Mir fehlte beim Wein ein wenig die Substanz bzw. die Gegenspieler zur Süße. Dennoch ein wunderbares Erlebnis in dieser Kombination. Ich hatte insgesamt 3 Gläser davon glaub’ ich – was kostet die Welt. Zu meiner Verteidigung: Es kam ja noch mehr Süßes, das nach Süß(Wein) schrie…

Der süße Abschluss: Schaumkuss, Macaron, Magnum-Eis, Luftschokolade und Weingummis. Ein Hammer! Ich liebe süß und wurde nicht enttäuscht. Jede Kleinigkeit eine Sensation für sich. Wenn ich wählen müsste, dann das hausgemachte Mini-Magnum und den Schaumkuss. Das Eis war so cremig wie eine Wolke und der Schaumkuss mit echtem Waldmeister verfeinert – hab ich so noch nie schmecken dürfen. Der (oder das?!) Macaron war auch toll aber unheimlich schwer – ein Desert für sich quasi. Darauf folgten noch hausgemachte Pralinen. Ich war kurz vorm Platzen aber das Salzkaramell habe ich mir noch reingedrückt, zusammen mit einem guten Espresso. Für ein Digestif war kein Platz mehr. Ich wollte jetzt nur noch raus aus dem Genusstempel, um an der Hotelbar mit einem sehr trockenen Martini nachzuspülen.

War ich begeistert? Ja! Ein Kompliment an Joachim Wissler und das gesamte Team für diese Darbietung. War ich satt? Ja! Hab ich es bereut? Nein! Nunja, Spaß kost‘ nun mal Geld. Ich komme bestimmt nicht jede Woche wieder aber man sollte sich dieses Erlebnis mal gönnen als „foodie“. Ob es das Geld wert ist, muss jeder selbst für sich entscheiden.