Restaurantkritik
Ralf Bos berichtet über das Nagaya in Düsseldorf
Ralf Bos. Mehr muss man da wohl nicht sagen, oder? Ein echter Profi seines Fachs, hervorragender Gesprächspartner und überzeugter Genussmensch! Neben seinem erfolgreichen Feinkosthandel Bos Food betätigt sich Ralf regelmäßig als Autor! In diesem exklusiven Bericht für Mr. Düsseldorf schreibt er über das Nagaya und die Feinheiten der japanischen Küche.
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Nagaya Düsseldorf
Das Nagaya ist das einzige japanische Restaurant in Deutschland, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist. Die meisten Gäste, die das Nagaya besuchten, sind darüber empört. Mindestens zwei Sterne hätte Joschi Nagaya verdient, ist die einhellige Meinung.
Ein Japaner kommt selten allein
Ansässig ist das Nagaya in der Düsseldorfer Klosterstraße. Eine Straße, auf der es eine gute Handvoll japanischer Restaurants gibt. In den angrenzenden Straßen gibt es noch ein weiteres Dutzend japanischer Restaurants. Insgesamt schätze ich die Anzahl in seinem Stadtviertel auf etwas über 20. Man hat als japanaffiner Düsseldorfer also die Möglichkeit, fast ein Jahr lang, alle zwei Wochen eine neue gastronomische Erfahrung zu machen, wenn man die Außenbezirke mit dazu zählt.
Hinzu kommen noch unzählige Nudelsuppen-Restaurants und Sushi-Take-aways. Die Qualität und Ausstattung dieser Restaurants ist genau so vielfältig und abwechslungsreich, wie sie es auch bei deutschen Restaurants ist. Von altmodisch-traditionell bis modern und von eher schäbig bis Weltklasse ist alles zu finden.
Im gehobenen Bereich wird die Luft schon etwas dünner. Die meisten der gehobenen Japaner sind die klassischen Sushi oder Teppanyaki Restaurants, die schon vor 30 oder 40 Jahren ihren Zenit erreicht haben und seitdem, oft glücklos, darauf achten, dass der Lack nicht ganz verblasst. Die neueren japanischen Restaurants sind hauptsächlich einfache Restaurants mit sehr guter Küche, vergleichbar mit einem Bistro, bei dem mehr Wert auf das Essen als auf die Ausstattung gelegt wird. Das wirkt manchmal ein wenig befremdlich, weil man sich auch in diesen Restaurants nicht scheut, die hochpreisigen japanischen Produkte anzubieten. So ist es gut möglich, dass sie mit Plastikstäbchen in der Hand, auf einem wackligen Stuhl am blanken Resopaltisch acht bis zehn Euro für ein Nigiri Sushi zahlen müssen, weil der Belag ein besonders feines Stück Toro vom Blauflossen-Thunfisch ist.
Das große Menü bitte
Ganz anders im Nagaya. Auch hier wird ein Sushi in dieser Qualität nicht weniger kosten, aber hier stimmt das Gesamtpaket. In einem edlen Ambiente wird eine jede Speise, auf ein extra dafür entworfenes Geschirr, von charmantem und hochprofessionellem Servicepersonal serviert. Die Servicebrigade besteht aus deutschen und japanischen Mitarbeitern, die die verschiedenen Gänge des Menüs nach allen Regeln der Kunst erklären und annoncieren.
Damit wären wir beim Menü angekommen. Auch wenn das Nagaya mittags und abends geöffnet hat und auch wenn es eine kleine, an eine Sushibar erinnernde Theke gibt, sollte man hier nicht den Fehler machen und sich seine Speisefolge selbst zusammenzustellen. Besonders am Abend, wenn es die Zeit erlaubt, sollte man sich in die Hände des Meisters begeben und das große Menü (Omakase) bestellen.
Joshi Nagaya ist ein Künstler, ein Genie und ein Freigeist. Diese drei Fähigkeiten stellt er in seinem Menü eindrucksvoll unter Beweis. Wenn man sich nach einem Tête-à-tête mit dem charmanten japanischen Sommelier für eine passende Weinbegleitung entschieden hat, sollte man sich zurücklehnen und bestaunen, was jetzt beginnt.
Kulinarische Meisterleistung
Hier ist der Moment, indem wir über das Konzept sprechen sollten. Das Nagaya ist kein klassisches japanisches Restaurant. Es ist das Restaurant eines japanischen Kochkünstlers, der alle Facetten der Küche perfekt beherrscht und sich nicht in den Grenzen der traditionellen japanischen Küche bewegt. Er benutzt die besten und hochwertigsten Produkte dieses Planeten und verarbeitet sie in ästhetische Kunstwerke, die nicht nur das Auge des Betrachters erstaunt und in Verzückung versetzt. In erster Linie schafft Joschi Nagaya kulinarische Kostbarkeiten, die in der allerhöchsten kulinarischen Liga spielen.
Joschi Nagaya – ein Künstler
Mit dem Beginn des Menüs beginnt eine kulinarische Reise, die niemanden unbeeindruckt lassen kann. Schon mit der Vorspeise, einer Auswahl von kleinen Gerichten, überkommt einem das Gefühl, dass man diese Kunstwerke doch nicht einfach zerstören kann, nur um sie zu essen. Dieses Gefühl wird Sie das ganze Menü lang begleiten. Aber es nutzt nichts, man muss sich irgendwann überwinden und eine der Preziosen probieren. Jetzt kommt die wirkliche Überraschung. Jeder Gang und jeder Bestandteil sind perfekt gewürzt und perfekt gegart. Auch wenn die Optik den Anschein erweckt, dass man aufgrund der Ästhetik Abstriche im Geschmack und Textur eingehen musste, hat man sich hier getäuscht. Vielmehr bekommt man von Gang zu Gang immer mehr den Eindruck, dass Joshi das Talent zum perfekten Koch im Blut hat und ihm das Geschenk des begnadeten Künstlers obendrein gegeben wurde.
Am Ende des Menüs bleibt man staunend zurück und obwohl das Menü mit einem Preis von 169 bis 227 Euro, je nachdem ob man den Kalbfleischgang durch einen Hummergang (plus 20 Euro) oder den Prime Beef Fleischgang durch einen Kobe Beef Gang (plus 38 Euro) ersetzt hat, nicht gerade preiswert ist, verlässt man das Restaurant mit dem sicheren Gefühl, dass das Geld wirklich gut investiert war. Da die Originalgänge des Omakase Menüs qualitativ nicht schlechter sind, als die Aufgewerteten, ist es auch nicht unbedingt notwendig das Originalmenü zu pimpen. Auch in diesem wird auf edle Produkte wie Kaviar, Foie Gras, Jakobsmuscheln, Toro und Perigord Trüffel nicht verzichtet, was das moderne Konzept unterstreicht.
Großartige Produkte, moderne Gartechniken und angenehm zurückhaltender und dennoch professioneller Service sind die Eckfeiler des Erfolgs, die ich jedem ambitionierten Gastronomen nur wärmstens ans Herz legen kann. In diesem speziellen Fall halte ich es aber für kaum möglich, in einer ähnlichen Art und Weise liefern zu können. Das Talent von Joshi Nagaya kann man nicht kopieren, es ist von Gott gegeben.